Rede von Joachim Schröder (Friedensforum)
Liebe Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner, liebe Friedensfreunde,
Wir trauern.
Wir trauern um die 1200 israelische Zivilisten, die durch den Terrorangri der Hamas Milizen am 7.
Oktober getötet worden sind. Gegen die Verantwortlichen dieses Verbrechens führt der
internationale Strafgerichtshof in Den Haag ein Ermittlungsverfahren, und das ist gut so. Gegen
drei Hauptverantwortliche der Hamas Milizen hat der Chefankläger beim internationalen
Strafgerichtshof einen Haftbefehlsantrag gestellt. Das ist gut für die Stärkung des Rechts.
Wir trauern auch um die Toten im Gaza Krieg. Bisher wurden mehr als 40.000 Palästinenser
getötet; womöglich 10.000 werden unter den Trümmern noch vermisst.. Zehntausende sind
verwundert und traumatisiert worden. Bei diesen Kriegsopfern handelt es sich ganz überwiegend
um Zivilisten, insbesondere Frauen und Kinder. Diese ungeheure Zahl an getöteten Menschen
beruht auf der Kriegsführung der israelischen Armee, die zu wenig auf die Zivilbevölkerung
Rücksicht nimmt.
Ja, es gibt ernst zu nehmende Stimmen, die die israelische Kriegsführung so einschätzen, dass
sie nicht nur keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt, sondern es auf die Tötung und
Verletzung von Zivilisten abstellt, mit der Absicht, das palästinensische Volk im Gazastreifen ganz
oder teilweise zu vernichten. Dies wäre ein Verstoß gegen die Völkermord-Konvention der UNO.
Der internationale Gerichtshof in Den Haag, das ist das von der UNO eingerichtete höchste
Weltgericht, ist zu der Einschätzung gelangt, dass die von Südafrika vorgelegten Beweise für den
Völkermord-Vorwurf plausibel sind. Ein endgültiges Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt
hierüber ergehen. Der Gerichtshof hat diese Einschätzung aber bereits bei einer Eil Entscheidung
im März dieses Jahres zu Grunde gelegt und der israelischen Armee zahlreiche Au agen erteilt,
damit Handlungen mit Völkermord Charakter vermieden werden sollen.
Unterhalb der sehr hohen Schwelle des Völkermord-Vorwurfes ist grundsätzlich jede Kriegspartei verp ichtet, die Regeln des humanitären Völkerrechtes einzuhalten, wie sie in den Genfer Konventionen niedergelegt sind und zwar auch dann, wenn sich ein Land darauf beruft, einen - völkerrechtlich zulässigen - Verteidigungskrieg zu führen. Nach dem humanitären Völkerrecht sind das Leben und die Unversehrtheit der Zivilbevölkerung soweit irgend möglich zu schonen, und es sind zivile Einrichtungen, insbesondere Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen und Ähnliches von Angri en und Zerstörung soweit irgend möglich zu verschonen. Verstöße gegen diese Regelungen stellen Kriegsverbrechen dar.
Die ungeheure Zahl der Kriegsopfer in Gaza zeigt bereits, dass die israelische Kriegsführung keine oder jedenfalls zu wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen hat. Auch gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass die übermäßige Zerstörung von Wohnhäusern und anderen zivilen Einrichtungen zumindest in Kauf genommen worden ist.
Auch wegen dieser Kriegsverbrechen führt der internationale Strafgerichtshof ein Ermittlungsverfahren, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Wegen des dringenden Verdachts auf Begehung derartiger Kriegsverbrechen hat der Chefankläger beim internationalen Strafgerichtshof im Mai dieses Jahres Anträge auf Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten Netanyahu und seinen Verteidigungsminister Gallant gestellt. Auch diese Maßnahmen sind für die Geltung und Gleichbehandlung des Völkerrechts gut und wichtig.
Wir fordern die israelische Führung und alle direkt oder indirekt am Krieg Beteiligten auf,
unverzüglich die Wa en schweigen zu lassen, damit weiteres Blutvergießen verhindert wird, und
unverzüglich Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln aufzunehmen. Wir solidarisieren uns
mit den zehntausenden von Israelis, die Woche für Woche für eben diese Forderungen in Israel
auf die Straße gehen.
Auch unsere Bundesregierung fordern wir auf, dieses Vorgehen zu unterstützen und auf diese
Weise zu einem fairen und gerechten Frieden in Palästina und Israel beizutragen.
Um der Forderung nach Frieden noch mehr Nachdruck zu verleihen, fordere ich Euch alle auf, am 3. Oktober zur bundesweit zentralen Friedensdemonstration nach Berlin zu kommen. Tickets für die gemeinsame Busfahrt könnt Ihr über das Friedensforum Neumünster erhalten.
Rede von Jochen Rathjen in Abwesenheit für Attac NMS
vorgetragen von Christof Ostheimer (Friedensforum)
Grundsätzlich ist jeder gewaltsame Tod einer zu viel. Jeder Mensch hat ein Recht auf die Unantastbarkeit seiner Würde. Menschenliebe, die sich ihre 'Lieblinge' aussucht und dabei andere ausschließt, ist unmoralisch. Moralische Werte sind unteilbar und zeitlos. Sie gelten überall und immer, oder sie sind wertlos!
Auf der einen Seite 1200 wahllos von den Hamaskämpfern 'hingeschlachtete' Juden und hunderte von verschleppten Geiseln. Und im Rachefeldzug der israelischen Armee - neben den gejagten, in der Bevölkerung untergetauchten Hamas-Kämpfern- 40 tausend getötete palästinensische Zivilisten in Gaza. Beide Katastrophen sind schrecklich unerträglich und dürfen durch Zahlenvergleiche nicht gegeneinander aufgerechnet werden. Der einzig annehmbare Unterschied zwischen den ermordeten jüdischen Zivilisten und den getöteten Einwohnern Gazas ist, dass die Zahl der toten und verstümmelten Menschen in Gaza täglich weiter ansteigt. Dieses von keinem Recht der Welt gedeckte, fortgesetzte Töten muss so schnell wie möglich beendet werden. Mit der Unterstützung der Woche für Woche demonstrierenden hunderttausenden israelischer Staatsbürger*innen kann das auch gegen den hartnäckigen Widerstand der immer weiter nach rechts driftenden Netanjahu-Regierung gelingen.
Ein allseitiger Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln, die Beendigung aller Blockaden und einGefangenenaustausch, das ist von außen schnell gefordert. Aber welche Regelungen sollen an dessen Stelle treten?Gesucht ist eine dauerhafte Lösung für den schon vor dem 2. Weltkrieg angebahnten Konflikt. Die schicksalhaft enge Verzahnung des beispiellosen Holocausts mit der von der westlichen Welt geduldeten, erbarmungslos betriebenen Nakba (Vertreibung der Palestinenser) hat den schwelenden Prozess im Nahen Osten immer wieder zur Explosion gebracht. Solange die Extremisten auf der israelischen Seite durch die vom Militär geschützte, gewaltsame Siedlungspolitik den Lebensraum der ortsansässigen Palästinenser immer weiter einengen und durch das diskriminierende Besatzungsregime deren Lebensbedingungen fortlaufend verschlechtern, gibt es jenseits der Mauern und Zäune keine Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft. Und so lange es auf der palästinensisch-arabischen Seite einflussreiche Kräfte gibt, die alle Juden aus dem Land und ins Meer treiben wollen, steht die nackte Existenz Israels auf dem Spiel.
Einer Zwei-Staaten-Lösung waren die beiden verfeindeten Gruppierungen schon einmal näher als heute. Aber dieser Plan wird von der Weltpolitik auch heute noch als beste aller Lösungen genannt. Das eigentlich viel fortschrittlichere Freiheits- und Gleichheitsmodell einer religionsübergreifenden Ein-Staaten-Lösung ist leider auf beiden Seiten chancenlos. Damit es also wenigstens noch zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommt, müssten zuvor beide unversöhnlich gegeneinander gerichteten extremen Flügel durch entsprechend weitsichtige und friedfertige gesellschaftliche Gegenkräfte ausreichend neutralisiertwerden. Das wiederum wird um so erfolgreicher gelingen, je mehr die gnadenlose Konkurrenz zwischen den Staaten bzw. Völkern sowie auch innerhalb der Länder zurückgedrängt werden kann. Politisch wären dazu ein solidarischeres Zusammenleben und ein bedarfsgerechtes Wirtschaften zielführend. Damit würden zugleich die allermeisten Kriegsursachen entfallen.
Für einen derartigen „sozial-ökologischen Wandel“ steht Attac, in Deutschland und in Neumünster. Deshalb unterstützen wir die heutige Veranstaltung. Die Lösung der vielen augenblicklichen und künftigen Krisen werden wir nur gemeinsam und mit einer breiten demokratischen Mehrheit finden können. Auf der Rückseite des Flyers ist eine ausgewogene Bündnisplattform abgedruckt. Sie ermöglicht -über alle Parteigrenzen hinweg- allen redlich denkenden und mitfühlenden Menschen, ihr Entsetzen über die unvorstellbaren Schreckensbilder vom Hamas-Überfall in Israel und die sich täglich weiter auftürmenden Horrormeldungen aus Gaza zum Ausdruck zu bringen. Möge dieser Weg Schule machen und dazu beitragen, dass dem uns doch so nahen Osten endlich ein stabiler moralischer Fortschritt in Frieden beschert werden kann. Ein neugieriger Blick in den Nord-Osten des Nachbarlandes Syrien, nach Rojava, könnte als Hoffnungsschimmer für ein gedeihliches Zusammenleben in Vielfalt gern auch nach Israel und Palästina zurückstrahlen.
„Free Palestine! – Guarantee Israel!“
Jochen Rathjen (Ansprechpartner von Attac Neumünster)
Rede von Mareike Tretow (die Linke)
Staatsräson
- Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Begriff 2008, auf Israels Sicherheit gemünzt, in einer Rede vor dem dortigen Parlament verwendet. Ihr Nachfolger Olaf Scholz nutzt den Begriff seit dem 7. Oktober ebenfalls und betont etwa: »In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz. Den Platz an der Seite Israels. Das meinen wir, wenn wir sagen: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.«
- Deutschland hat auch schon seit der Nachkriegszeit die Annäherung an Israel genutzt, um wieder als Demokratie zu gelten, der Grund ist kein Schuldgefühl, sondern sein eigenes Interesse.
- Damit wird angedeutet, dass es keine demokratische Debatte über das Thema geben soll.
- Häufig wird es eingebracht, um Diskussionen über das Handeln von Israel zu unterbinden.
- Es wird auch häufig behauptet, das Nazis gar nicht für den Antisemitismus verantwortlich wären, sondern die Muslime.
- Die Staatsräson biete sich dafür an, zu sagen: wir hassen Muslime ja diesmal aus einem guten Grund, weil wir die Juden lieben«
- Warum gab es eigentlich nie eine Staatsräson für Sinti und Roma, die ebenfalls von deutschen Nazis zu Hunderttausenden verfolgt, getötet und in Vernichtungslager geschickt wurden?
- Zwar mag die Staatsräson an der einen oder anderen Stelle tatsächlich zur Sicherheit Israels und dem Kampf gegen Antisemitismus Anwendung finden. Dabei, übergeordnet, geht es aber vor allem um eines: das deutsche Interesse.
- Was bedeutet die Umsetzung dieser Staatsräson konkret?
Rede von Lennart Niemeyer (die Linke)
- Bei Protestcamps am Bundestag kam es vermehrt zu Schmerzgriffen und gewaltsamer Auflösung durch die Polizei.
- HU-Präsidentin Julia von Blumenthal suchte den Dialog bei der Besetzung der Humboldt Uni, wurde aber von Kai Wegner (CDU) und Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) unter Druck gesetzt -> gewaltsame Räumung und Übergriffe durch die Polizei.
- In Berlin wurden bereits ab 2021 zum Nakba Tag alle Demonstrationen von der Berliner Versammlungsbehörde verboten (zentraler Gedenktag am 15 Mai an die Flucht und Vertreibung 1948).
- Kriminalisierung vom Solidarität und dem Aufzeigen der Missstände.
- Kritik an staatlichem Handeln oder institutionellen Problemen darf nicht als Angriff oder Extremismus abgestempelt werden.
- Eine gesunde Demokratie lebt von der freien Meinungsäußerung, insbesondere wenn es um den Schutz von Minderheiten und den Kampf gegen Diskriminierung geht.
- In dem Sinne: Natürlich verurteilen wir Antisemitismus, aber wer keine Kritik zulässt und stumpf abstempelt, legitimiert jede Menschenrechtsverletzung Israels.
- Deutschland erkennt Palästina diplomatisch nicht an (Siehe: Internationale Anerkennung des Staates Palästina).
- Forderungen der Partei die Linke:
- Sofortiger Waffenstillstand!
- Freilassung aller Geiseln!
- Israelische Armee raus aus dem Gaza-Streifen!
- Keine deutschen Waffenlieferungen in das Nahost Kriesengebiet!
- Zulassung umfangreicher humanitärer Hilfe in Gaza!
- Sofortiger Stopp und Rücknahme des illegalen Siedlungsbaus auf palästinensischem Gebiet!
- Schnellstmögliche Neuwahlen in Israel!
- Wiederaufnahme der Verhandlungen für eine Zweistaatenlösung!