Solidaritätsdemonstration für Palästina in Neumünster am Samstag, den 02.12.2023
Das Friedensforum Neumünster hatte zum Teilnahme aufgerufen und sich mit zwei kurzen Ansprachen beteiligt.
Dr. Ursula Paszehr
Islamwissenschaftlerin,
Trauerbegleiterin,
Friedensforum Neumünster
As-salāmu ʿalaikum, der Friede auf Euch, meine Freunde aus und in Palästina, (auf Arabisch)
Es hat heute Morgen geschneit.
Stellen Sie sich vor, dass nicht Schnee fällt, sondern Bomben….einfach so…nicht lautlos,
sondern ohrenbetäubend, markerschütternd…
Seit Jahrzehnten regnet es im Nahen Osten Bomben:
Irak, Afghanistan, Syrien, Libanon und Palästina – West-Bank und Gaza.
Auf meinen Reisen in den Nahen Osten sprach ich mit vielen Frauen, Männern und auch
Kindern, mit Menschen, die geflüchtet waren…sie alle wünschten sich nur eins:
Dass keine Bomben fallen, sie wünschten sich Frieden!
Dennoch – es fallen wieder Bomben…in diesen Tagen, in diesem Augenblick, auf Gaza!
Männer, Frauen und Kinder werden getötet. Wahllos.
Warum? Alles Terroristen?
Oder sind nicht vielmehr Gier, der Hunger nach Macht, der unersättliche Hunger, und
geopolitische Interessen die wahren Gründe? Die wahren Gründe der Kriegstreiber, deren
Verstand und Herzen hart und dunkel sind, was sie jedoch unter dem Mantel der
Moralisierung verborgen haben!
Ich frage Sie, meine Damen und Herren, wie viele unschuldige Kinder und Frauen müssen in
Gaza noch sterben?!
Israel bombardiert heute den Süden Gazas, wohin doch die Menschen aufgefordert worden
waren, sich zurückzuziehen.
Israel bombardiert und beschießt weiterhin Krankenhäuser, Schulen, Kirchen, Moscheen,
Krankenwagen und Hilfskonvois.
Wie viele Kinder und Frauen, Männer müssen denn noch sterben, wie viele Tausende denn
noch?!
Meine Damen und Herren, in Gaza stirbt in diesen Tagen die Menschlichkeit. Und sie stirbt
auch dort, wo wir schweigen. Und glauben Sie mir...niemals wieder werden wir sagen
können: Wir haben es nicht gewusst!
Deshalb, im Namen der Menschlichkeit, fordere ich, fordern wir:
Lasst die Waffen schweigen –
Lasst jedoch nicht Eure Stimmen schweigen, in Solidarität mit dem Palästinensischen Volk!
Redebeitrag des Friedensforums zur Kundgebung von Dr. Christof Ostheimer :
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Friedensfreundinnen und -Freunde,
es ist gut, dass so viele Menschen dem Aufruf von Krissi und
Alex Marten gefolgt
sind und auch hier in Neumünster für
Frieden und Freiheit in Palästina demonstrieren.
Nachdem
die kurze Feuerpause zwischen der Israelischen Armee und
der Hamas –
aus fadenscheinigen Gründen – von der
Netanjahu-Regierung nicht verlängert wurde,
ist unsere
Forderung nach einem dauerhaften Waffenstillstand aktueller
denn je. Wir verlangen von hier aus, dass sich endlich auch
unsere
deutsche Regierung bei der Israelischen Regierung für
einen sofortigen und
umfassenden Waffenstillstand einsetzt.
Das Töten muss ein Ende haben. Frieden
kann nur ohne
Waffen geschaffen werden: „FRIEDEN SCHAFFEN OHNE
WAFFEN!“
Und es ist gut, dass wir zu Beginn dieser Kundgebung der
zivilen Opfer dieses Krieges,
seien es die 1.400 Israelis oder
die 15.000 Palästinenser, durch eine gemeinsame
Schweigeminute gedacht haben. So wird deutlich, dass wir
hier keinen Unterschied zwischen
den durch
Kriegshandlungen zu Tode gekommenen Menschen machen.
Sie alle sind unsere
Brüder und Schwestern, sie alle sind Teil
der großen Menschheitsfamilie!
............ Aus den Medien empfangen wir auch in diesen Tagen
wieder grauenvolle Nachrichten
und Bilder aus Gaza.
Die Bilanz nach 8 Wochen der
militärischen Intervention
durch die israelischen Streitkräfte (IDF), u.a. von medico
international veröffentlicht, ist entsetzlich: Fast 15.000
Menschen sind bei israelischen
Angriffen getötet worden,
etwa 70 Prozent davon Frauen und Kinder. Schätzungsweise
(mindestens)2.650 Menschen gelten als vermisst, auch davon
etwa 1.400 Kinder.
Die meisten dürften unter den Trümmern
ihrer Häuser begraben liegen. In keinem Konflikt
weltweit
haben die Vereinten Nationen bisher so viel Personal verloren
wie in Gaza:
100 Mitarbeiter:innen kamen bei den Angriffen
seit dem 7. Oktober ums Leben.
750.000 Bewohner, also
rund ein Drittel der Bevölkerung mussten fluchtartig ihre
Häuser verlassen. Durch massive Bombardements sind mehr
als ein Drittel der
Gebäude im Norden des Gazastreifens völlig
zerstört. Die Lieferung von Lebensmitteln,
Medikamenten, ja
sogar von Trinkwasser, auf die die Gaza-Bevölkerung
existentiell
angewiesen ist, wurde durch Israel eingestellt,
und – auf Druck der internationalen
Öffentlichkeit, jedoch
nur völlig unzureichend - über den Grenzübergang Rafah
durch Ägypten übernommen. Treibstoff etwa für
Krankenwagen und für die Energie-versorgung
zum Beispiel
der Krankenhäuser wurde überhaupt nicht mehr geliefert.
Das größte Krankenhaus,
das Al-Shifa-Hospital, musste seinen
Betrieb einstellen, ebenso wie schon
jetzt mehr als die Hälfte
der insgesamt 36 Hospitäler im Gaza-Streifen.
- Eine solche Kriegsführung, die der Zivilbevölkerung ein
Überleben auf Dauer
unmöglich macht, verstößt gegen das
humanitäre Völkerrecht – und wenn dies
nicht sofort beendet
wird, ist die Folge ein Genozid, ein Völkermord.
Wir wollen aber bitte den Anlass für die israelische
Kriegsführung in Gaza nicht vergessen: es war das Massaker ,
welches unter israelischen
Bewohnern in der Nähe des Gaza-
Streifens am 7.Oktober angerichtet wurde, die meisten von
ihnen unbewaffnete Zivilisten und darunter auch viele Kinder.
Bewaffnete Mitglieder von Hamas
und anderen militanten
Gruppen waren aus dem eigentlich hermetisch abgeriegelten
Gaza-Gebiet ausgebrochen. Etwa 1200 israelische Menschen
wurden dabei umgebracht –
auch dies ein grauenhaftes
Verbrechen, das wir von Anfang an verurteilt haben.
……..Ich halte die Forderung für berechtigt, dass sowohl das
Gemetzel auf israelischem
Gebiet, als auch den Militäreinsatz
Israels im Gaza-Streifen mit seinen grauenhaften
Folgen für
die dortige Zivilbevölkerung von einer unabhängigen,
internationalen
Kommission untersucht werden.
Gleichzeitig hören wir von zunehmender Gewalt militanter
Siedler im Westjordanland: bis 7.Oktober, dem Überfall der
Gaza-Milizen waren
in diesem Jahr bereits 375 Palästinenser
in der Westbank getötet worden, seit dem
7.10. weitere
187, dort vor allem Jugendliche. ……..Immer weiter werden
die Lebensmöglichkeiten der arabischen Bevölkerung dort
eingeschränkt. Von der sog.
Zwei-Staaten-Lösung bleibt so
nur eine Fata-Morgana, zur Beruhigung der internationalen
Öffentlichkeit. Real entwickelt sich ein Apartheid-Staat, in
dem rund vierzig
Prozent der Gesamtbevölkerung in einem
weitgehend rechtlosen Status leben. Eine Brutstätte für
weitere Gewalt-Eruptionen, auf beiden Seiten.
Ein friedliches Zusammenleben in Israel-Palästina wird
nur auf der Basis gleicher Rechte und Entfaltungsmöglich-
keiten erreicht werden können.
Viele Israelis, die dies
verstanden haben und mutig dafür eintreten, wie etwa der
bekannte Ha’aretz-Journalist Gideon Levy oder der deutsch-
israelische Philosoph Prof. Omri Boehm,
appellieren an die
internationale Öffentlichkeit, in dieser Richtung auf die
israelische Regierung einzuwirken, und auch eine
Handelspolitik zu betreiben, die z.B.
auf immer
umfangreichere Waffenlieferungen in die Konfliktregion
verzichtet. Gerade
die Bundesrepublik Deutschland hat
solche tödlichen Geschäfte 2023
massiv ausgeweitet – aus
unserer Sicht der völlig falsche Weg.
„Solidarität mit Israel“ (deutsche Staatsräson) darf nicht auf
Kosten der palästinensischen
Bevölkerung geübt werden, und
die Unterstützung gewaltsamer Konfrontation nach innen
und auch nach außen – z.B. gegenüber den Nachbarn im
Libanon -
ist sicher nicht im langfristigen Interesse der
jüdischen Bevölkerung in dieser Region.
Wenn die westlichen Regierungen verstehen, dass
„Solidarität mit Israel“ sich auch in klarer Kritik
zeigen kann,
dann gibt es vielleicht eine kleine Chance: dass sich
aus der
fatalen augenblicklichen Lage in Nahost das zarte Pflänzchen
von Vernunft, kluger Diplomatie und einen Abschied von der
Gewalt entwickeln kann.
Dr. Christof Ostheimer
Friedensforum Neumünster, 02.12.2023